The Blue Flower – Diskussion (3)

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Penelope Fitzgerald
Photograph: Tom Jenkins for „The Guardian“

Ein Besuch bei der ‚reading group‘ von ‚The Guardian‘

Ende Dezember hatte Sam Jordison seine illustre Leserunde addressiert mit der Frage, was sie gemeinsam im Januar von Penelope Fitzgerald lesen sollten. Die Wahl war auf The Blue Flower gefallen.

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Mariner Books

Dieser Roman über die frühen Jahre von Novalis, als er noch nicht so hieß, sondern noch als Friedrich („Fritz“) von Hardenberg durchs Leben ging, ist noch nicht wieder auf Deutsch erschienen. Ich lese in der Ausgabe von 4th Estate; vorrätig im Laden ist die Mariner Books Ausgabe mit dem alten Cover.  Auch die Folio Society hat das Buch herausgegeben in gewohnter Pracht. Der Insel Verlag betreut das Werk von P. Fitzgerald in Übersetzung und ist offenbar dabei, Romane von ihr neu aufzulegen, die lange vergriffen waren.

Aus den schönen alten pastellfarbenen Bändchen der Insel Taschenbuchreihe sind noch „Frühlingsanfang“ und „Das Engelstor“ zu Preisen unter 4,00 € im Handel, und in der zweiten Januarhälfte soll jeder Interessierte Gelegenheit haben, hier Zitate und Gedanken und Kritik zur Lektüre von „Frühlingsanfang“ zu teilen. Dieser Roman versetzt uns ins Moskau von 1913 und beschert uns einen Frühlingsanfang der anderen Art.

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Penelope Fitzgerald Januar Ill: David Levine, NYRB

Ich habe in diesen Tagen wieder „The Blue Flower“ gelesen, diesmal bis zum Schluß, und will nun einen Eindruck geben, wie Sam Jordisans Leser im Kommentarteil den virtuellen literarischen Salon zum Leben bringen. Ich werde das Buch nun einfachhalber als „Novalisroman“ betiteln

Inzwischen sind drei Artikel zur reading group erschienen, und ich habe einiges aufzuholen. Aber den Großteil der Kommentare, wo es um die Wahl des Romans ging, habe ich gelesen. Darunter gefiel mir dieses Plädoyer für den Novalisroman von „bornin69“, vom 28. Dezember: (wie immer, von mir frei übersetzt)

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Insel
Es gibt zwei ausgeprägte Arten von Romanen bei Fitzgerald - die der ersten sind geistreiche kleine Unterhaltungen, jedesmal zu einem gewissen Grade autobiographisch. Darunter ist "Offshore" ["Ein Hausboot auf der Themse"] der beste, aber alle sind wunderbar geschrieben und ein Vergnügen.

Sie hat vier historische Romane geschrieben, alle mit unterschiedlichen (und interessanten, ungewöhnlichen) Rahmen. Abgesehen von der Kunstfertigkeit im Schreiben unterscheiden diese sich völlig von den früheren Büchern. Sie sind immer noch gut zu lesen, dabei aber offensichtlich 'literarischer' als die früheren. "The Blue Flower" ist der beste davon und ihr Meisterwerk, denke ich.

»Dies ist ein Roman mit einem faszinierenden, wenn auch schwierigen Thema: Der junge Philosoph der Romantiker, Novalis, und seine Liebe zu einem Teenager. Was wir davon halten sollen, werden wir besser sagen können, nachdem wir das ganze Buch gelesen haben.«, schreibt Sam Jordison in seiner Einleitung, und er tut recht daran, zur Besonnenheit zu raten; denn es gab schon, bevor die Wahl beschlossen war, kopflose Ausbrüche von Entrüstung.

Zum Auftakt der Novalisroman-Lesegruppe schrieb aber Evan McMurry am 3. Januar gleich diese schöne allgemeine Bemerkung:

»Fitzgeralds Bücher sind „bewundernswert kurz“ aber auch von der dichtesten Art in der zeitgenössischen Literatur; Sie werden ein paar Dutzend Seiten lesen in einem Atemzug bevor Ihnen aufgeht, dass alles eigentlich Gemeintes enthält. Ergo: kurz, aber man kann sie auf Neue lesen mit wachsender Freude und Genugtuung.«

Kurz darauf öffnet Vasco Resende einen interessanten Aspekt zur Diskussion, nämlich das Deutsche in der Sprache im Novalisroman: „versucht Fitzgerald, deutsche Vokabeln und Satzbau nachzuahmen?“ llJones verweist auf Hermione Lee, die in ihrer Biographie schreibt: „Die Ausdrucksweise hat irgendetwas Merkwürdiges, gerade an der Grenze zu einer Übersetzung. „ Miranda C sagt dazu: „bauchgeredetes Deutsch“. Man wundert sich in der Runde, wie sich der Roman in deutscher Übersetzung anhören würde.

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Schloß Oberwiederstedt um 1800.
Aquarell im Familienalbum, 17,5 x 21,5 cm
Bildquelle: kulturstiftung.de

Freund M*** hob einen Aspekt hervor, den ich in allen Kommentaren bisher noch nicht gefunden habe, nämlich wie großartig Fitzgerald das Leben der durch zahlreiche Kriege völlig verarmten und heruntergekommenen Landadeligen in Sachsen-Anhalt im 18. Jahrhundert zum Leben erweckt. Keiner, der den Roman gelesen hat, wird das erste Kapitel „Washday“ vergessen können, das, demonstriert am Wäschetag, einige soziologischen Fakten eindringlich vor Augen führt. Später gibt es eine Szene, wo sich „Fritz“, öfter sonst mit seinem Klepper (genannt: „der Gaul“) unterwegs, via Postkutsche aufs entfernte Familiengut begibt, um dort sein Studentensäckel füllen zu lassen. Eine wahre Don Qichoterie.

Soviel erst einmal dazu. Hat einer dieses Buch gelesen? Ich würde mich freuen, davon zu hören.

siehe auch bei dovegreyreader scribbles (engl.)

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