Wie kann ich mir merken, wer die Abbasiden waren? Mit all den Ayyubiden, Buyiden, Sulaihiden* war ich da zwischendurch ratlos, auch, als der Hinweis kam, dass es eine Dynastie war, die sich auf einen Herrn Abbas begründet hatte, danke dafür. Aber wäre der Name Harun ar-Rashid gefallen, hätte ich mich wieder erinnert. Die Abbasiden herrschten im Anschluß der frühesten Kalifen, den Umayyaden, 500 Jahre lang, hatten aber nicht all die Zeit alle Macht. al-Mansur ist auch ein Name, der hängengeblieben ist, aber Harun ar-Rashid ist der Kalif Storch bei Wilhelm Hauff und Held vieler Geschichten in 1001 Nacht.
Übersetzt von Enno Littmann im Insel Verlag (vergriffen) Im Projekt „Wiederentdeckt“ werden alte Titel in Print on Demand ‚Qualität‘ angeboten, wie „Arabische Märchen„, was diese Ausgabe eventuell vertritt, aber ich habe kein Inhaltsverzeichnis gefunden, und ob die Illustrationen darin enthalten sind, bezweifel ich, auch, daß der Taschenbucheinband die alte Leinenstruktur hat und schön in der Hand liegt … Also lieber antiquarisch suchen.
Hier ist ein Abbild von Harun ar-Rashid aus der Inselbuch-Ausgabe von Ali Baba; aber den Namen des Künstlers der schönen Kupferstiche aus der französischen Ausgabe konnte ich nicht finden. Dies Taschenbuch entstand 1975, und man ging hier sorglos um mit den Quellen. Tilmann Spreckelsen hat für die FAZ 2014 über Antoine Galland und die Geschichte der Tausendundeinen Nächte geschrieben: Als Europa den Orient erfand
Und nun geht es weiter mit den Büchern aus dem Schaufenster im November, über die zu schreiben ich erst jetzt komme:
Bilderbogen um Bettine Brentano
Am 4. Dezember war ein Wetter kalt und schauerlich, da hielt ich unter freiem Himmel Verlobung mit Arnim. Es war halb neun Uhr abends, in einem offenen Hof, wo hohe Bäume standen, von denen der Wind den Regen auf uns herabschüttelte …
aus einem Brief von Bettine von Arnim an Goethe, zitiert in Jetta Sachs; Mein Geist ist feurig (Salzer, Heilbronn 1987, S. 34, vergriffen). In den Achtzigern habe ich den Briefwechsel von Bettine mit der Günderobe gelesen, in einer feinen Ausgabe bei Freunden, mit zarten Biedermeier-Pastellstreifen. Ich habe mich so manches Mal gewundert über die Bettine und ihr exaltiertes Wesen, die Formen ihrer Freundschaft – ich erinnere mich noch an ihre Besuche bei Hölderlin im Turm – ihre Anflüchte von religiösem Schwärmertum, ihre Keckheit.
„Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt.“ Berühmter erster Satz Titelfoto: Werner Peters, in der Verfilmung von Wolfgang Staudte S. Fischer, mit edit. Notizen und Zeittafel
Heinrich Mann; Der Untertan
Eigentlich wollte ich den Untertan von Heinrich Mann wiederlesen. Wir hatten ihn im Deutschunterricht durchgenommen, und unser Privileg war, daß der Deutschlehrer eine Erstquelle für studentische Verbindungen war, Schmiss im Gesicht inklusive. Dies Lied haben wir von ihm gelernt im Deutsch Leistungskurs.
„Solche Brüder müssen wir haben, die versaufen, was sie haben: Strumpf und Schuh, Strumpf und Schuh, laufen dem Teufel barfuss zu! Zum Zippel, zum Zappel, zum Kellerloch rein, heute muss alles versoffen sein!“
Wir hatten das Glück, einen Lehrer zu finden, der einem die Lektüre nicht für das Leben verleidet, aber dann bin ich doch nicht hineingekommen in den „Untertan“. Heinrich Mann sollte es aber dennoch sein, und ich startete das großartige – behaupte ich jetzt einfach mal – Henri Quatre Colloquium.
William L. Shirers Berlin Diary hatte ich mal vor einigen Jahren angefangen zu lesen, war etwa bis zur Hälfte gekommen und fand es faszinierend, weil Shirer das Berlin und Europa unmittelbar vor der Naziherrschaft schildert. Hier ein Kalenderblatt aus düsteren Zeiten:
A wild New Year’s Eve story
What will this year bring? The dicision, as Hitler boasted yesterday? I haven’t met a German yet who isn’t absolutely certain. Certain it is that this phony kind of war cannot continue long. Hitler has got to go forward to new victories or his kind of systems cracks.
More drunkenness on the Kurfürstendamm last night than I’ve ever seen in Berlin. Himmler had thousands of police scattered over town to see that no one used his car and that the cafes shut up promptly at one a.m. Saw the old year out at Sigrid Schultz’s, then an hour or so with the Germans at the Rundfunk, then with Russel Hill over to Virginia’s. About two a. m. in the Kurfürstendamm we jumped into a taxi. A German, his wife and daughter, aged about twelve, sprang in through the other door and we agreed to share it, there being practically no taxis out. A soldier and his girl then climbed in next to the driver. We had not gone far when a policeman stopped us and ordered us all out. A soldier and his girl then climbed in next to the driver. We had not gone far when a policeman stopped us and ordered us all out, on the ground that we could not ride in a taxi unless we were on state business. I admitted I had no state business at two a.m. on New Year’s Eve, but pointed out that we had a child with us and that she was ill. He finally allowed us to pile in again.
We rode a few blocks and then the soldier began to throw a fit – wether from drink or shell-shock I couldn’t tell. At any rate, he clamoured for the driver to stop and let him out, and his girl screamed first at him and then at the driver to do something. The driver, whether from drink or nature I don’t know, was inclined to do nothing. We kept on going. Then the alarming psychological atmosphere of the front seat began to spread to the rear one, where we five were jammed in. The little girl suddenly started to scream, whether from claustrophobia or fear of the screaming soldier, or both, Russell and I were not sure. She too cried to get out. Her mother joined her. Then her father. Finally the driver, apparently awakened by the bedlam, decided to stop. Out on the curb the father and the soldier began to engage in a fierce argument as to who had spoiled whose New Year’s Eve. Russell and I and the taxidriver stole away, leaving them to fight it out. The frayed nerves of the war, we decided.
BERLIN, January 1, 1940
Kurfürstendamm 40-41, Ecke Knesebeckstraße, nach „Modernisierung“, um 1940 Bild und Bildtext: „Spreetunnel“ bei Stadtbild Deutschland (Fotograf unbekannt)
Reinhold Schneider; Las Casas vor Karl V
Ullstein führ Reinhold Schneider nicht einmal mehr im Autorenregister … Einige Titel sind noch bei Suhrkamp lieferbar.
Th* und ich hatten diese Erzählung aus der Zeit der Conquistadoren fast durchgelesen. Reinhold Schneider ist ein ganz großer Held meiner Eltern, die sich in den Zeiten der Naziherrschaft bei ihm Trost und Rückhalt suchten. Günther Wirth hat schön über ihn in der Berliner Zeitung geschrieben, 2003: Reinhold Schneider, Dichter des christlichen Widerstands
In den Fünfziger Jahren beschäftigte ihn auch schon die atomare Bedrohung; er schrieb darüber in dem niederdrückenden Buch: Winter in Wien. Das Buch reflektiert auch den weiten Bildungshorizont, der im Bürgertum der Zeit noch anzutreffen war, der aber nur wenige anstiftete, sich der Tyrannei entgegenzustellen. Reinhold Schneider ist 1958 gestorben, kurz vor seinem 55. Geburtstag.
Das habe ich noch gar nicht gelesen, und dass ich es habe – und woher? – ist mir entgangen. Wegen D* greife ich immer wieder mal zu Literatur aus dem europäischen Norden. Vielleicht war sie es ja, die mir das Buch schenkte? (Oder ich kaufte es bei der Schleicherschen in Dahlem, zusammen mit Dumala von Eduard von Keyserling – ein wunderbares Buch.)
Hier die ersten Sätz von Söderberg, in der Übersetzung von Verena Reichel:
Ein junger Herr in einem dunkelblauen Frühlingsmantel und roten Handschuhen trat aus einem Laden in der Arsenalsgatan. Die Handschuhe waren nagelneu, er hatte sie gerade in dem Laden gekauft. Er war sehr jung, knapp zwanzig Jahre alt. Es war einer der letzten Tage im April […]
Nun, da bleiben mir noch zwei, drei Monate, mir den Roman endlich einmal vorzunehmen.
Lektüre, Verträge, Zerstörung
Das Uni-Leben beginnt am Montag wieder, und die Vorleserunde trifft sich auch, wobei ich gespannt bin, was wir dann lesen. Bei den Leseproben von der „longlist“, mit der wir vor Weihnachten endlich durchgekommen waren und von denen uns besonders Mirko Bonné; Lichter als der Tag und Christine Wunnicke; Katie neugierig gemacht hatten, werden wir ein neues Kapitel aufschlagen …
Und fürs Studium beschäftigen mich gerade Verträge (Sultan Baybars Vertrag von 1272, dessen Verlängerung nach gut zehn Jahren, in denen es einigermaßen ruhig herging in der Levante), mit denen sich Franken (Karl von Anjou und die Ordensmeister der Templer und Hospitaler) und Mameluken (Sultan Al-Manṣūr Ḳalāwūn) um ein einigermaßen friedliches Zusammenleben im Mamlukenreich Ägypten und Syrien und in den kleinen frankischen Fürstentümern entlang der Küste bemühten. Großartige Schwüre und viel Pomp begleiteten den Akt, aber der Regelkatalog ist ziemlich fein ausgearbeitet und brachte dem Sultan die nötige Ruhe, um Ränke im eigenen Haus zu beenden und außen die Gefahr der Mongolen abzuwehren. Das alles war damals, so um 1283. Zwei Jahre später lagen die Dinge wieder anders …
Karl von Anjou. Saluto d’argento, nach 1278. Gespaltener Schild mit dem Wappen von Jerusalem und Frankreich. Rv. Verkündigungsszene, in der Mitte Lilie. Aus Auktion Gorny & Mosch 139 (2005), 3763. Bild- und Textquelle: Münzenwoche
Al-Manṣūr Ḳalāwūn war vom Sklavensoldaten zum Emir aufgestiegen, als der letzte Ayyubidenkalif starb. Ḳalāwūn stieg weiter auf, zum fünften Mamelukensultan, und er ließ die Zitadelle des Ayyubiden Kalifen Nur al-Din in Aleppo wiederaufbauen, die jetzt in den Kämpfen in Syrien schwer zerstört wurde, so wie auch die Moschee und die Bibliothek in Aleppo. Im Seminar sahen wir Luftbilder der Kraterwüste in der Altstadt, und es ist sehr bedrückend.
*- Ayyubiden – das Herrscherhaus von Salah ad-din (Saladin) 1171 – 1250 auslaufend
– Buyiden – (herrschten über Abbasiden zwischen 945 und 1055) schiitischer Clan von Landsknechten aus dem südkaspischen Dailam, der persische Herrscherstrukturen adoptierte zu manchem Erfolg
– Sulaihiden (1047-1138) – ismailitische Vasallendynastie im Jemen
(frei nach Gudrun Krämer)
Sehr schön! Ich bin ganz erstaunt, dass Dir die Abbasiden nicht im Gedächtnis stecken geblieben sind. :) Weil ich nicht im Kreuzritter- sondern einen Abbasiden-Seminar gelernt habe, ist bei mir der Eindruck geblieben, dass dies die wichtigste Ära der frühen muslimischen Jahren gewesen ist. (Was mir jetzt natürlich illogisch vorkommt.) Trotzdem glaube ich – obwohl es sicherlich andere historische ‚Oasen‘ und Römische Frieden in Irak und den nahelegenden Gebieten gab – dass zur gewissen Zeit Baghdad als Hauptstadt der Abbasiden, kultiviert und eigenartig, im Zentralpunkt eines weiten Handelnetzwerkes wirkend und im Vergleich reich, doch eine Ausnahme und Idylle war. – Mindestens aus der Sicht einiger der Bewohner, weil ich vielleicht immer noch die sozialen und religiösen Hierarchien und die Einzelheiten der Berufen bei derartig breitschweifenden Behauptungen beachten muss.
PS: Ullstein und Reinhold Schneider – es war eine Lizenzausgabe, wie mir gerade klar wurde, und Reinhold Schneider war mit dem Titel im Insel Verlag zu Hause; deswegen war ich mit meiner Rüge im Unrecht und muß eher den Ullstein Verlag loben.
Sehr schön! Ich bin ganz erstaunt, dass Dir die Abbasiden nicht im Gedächtnis stecken geblieben sind. :) Weil ich nicht im Kreuzritter- sondern einen Abbasiden-Seminar gelernt habe, ist bei mir der Eindruck geblieben, dass dies die wichtigste Ära der frühen muslimischen Jahren gewesen ist. (Was mir jetzt natürlich illogisch vorkommt.) Trotzdem glaube ich – obwohl es sicherlich andere historische ‚Oasen‘ und Römische Frieden in Irak und den nahelegenden Gebieten gab – dass zur gewissen Zeit Baghdad als Hauptstadt der Abbasiden, kultiviert und eigenartig, im Zentralpunkt eines weiten Handelnetzwerkes wirkend und im Vergleich reich, doch eine Ausnahme und Idylle war. – Mindestens aus der Sicht einiger der Bewohner, weil ich vielleicht immer noch die sozialen und religiösen Hierarchien und die Einzelheiten der Berufen bei derartig breitschweifenden Behauptungen beachten muss.
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PS: Ullstein und Reinhold Schneider – es war eine Lizenzausgabe, wie mir gerade klar wurde, und Reinhold Schneider war mit dem Titel im Insel Verlag zu Hause; deswegen war ich mit meiner Rüge im Unrecht und muß eher den Ullstein Verlag loben.
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