Aus dem Logbuch vom beschränkten Lock-Down

Auf dem Weg zum Bäcker
Wie Ge*** schon gestern bemerkt hatte, ist eine Strecke Gehölz unterhalb der Langenscheidtbrücke gerodet worden. Unter „Nachhaltige Erneuerung: Fördergebiet Schöneberg-Südkreuz“ findet man auf den Senatseiten Pläne zu einem Weg für Radler und Skater, der dort entlang führen soll.
„Er verläuft entlang der S-Bahnhöfe Julius-Leber-Brücke und Yorckstraße (Großgörschenstraße). Zudem führt er zu einer Aufweitung des Wannseebahngrabens in Höhe Langenscheidbrücke. An zwei platzartigen Erweiterungen wurden hier in den frühen 90er Jahren bereits Treppenabgänge für die Erschließung einer zukünftigen Grünfläche angelegt.„
Auszug: Text: H. Fugmann, bearb. A. Stahl / Stand: Oktober 2020

Das wilde Gehölz mit seinem ungekämmten Unterholz ist Wohnraum für allerlei, das kreucht und fleucht, weswegen sich seit Planung 2007 gegen diese Vorhaben immer wieder Kritik zu Wort meldete. Andere wiederum sehen es von jeher als geeigneten Ort, ihren Müll abzukippen.
Nachtlektüre

Alldieweil ich mich notgedrungen an den auferzwungenen Bearbeitungsmodus von WordPress gewöhne, erzähl ich noch etwas von diesem Tag Allerheiligen, in den ich gestern Nacht vor dem Schlafengehen angemessen, meine ich, mit der Lektüre von Geza Vermes, „Christian Beginnings“ [– deutsch: Vom Jesus der Geschichte zum Christus des Dogmas –] hineinrutschte.
Passend zum gestrigen Reformationstag war ich bis Paulus vorgedrungen, den die Protestanten ja so schätzen, der sich langsam damit abfinden musste, dass die Wiederkunft des Christus anscheinend doch nicht zu Lebzeiten vonstatten ging, und eine Struktur nötig würde, eine Kirche, und die dazugehörige Religion.
Der Oktober Vollmond in der Novembernacht
Wir schauten von unserem Winke-Balkon noch den zweiten Vollmond im Monat an, der verschleiert, aber rund und schön, wie Matthias Claudius schlicht feststellte, über dem Dach gegenüber am diesigen Nachthimmel hervorleuchtete. Wir hatten ihn in den letzten Stunden des Oktobers nicht fnden können. Vielleicht wirkte er ob der späten Stunde nicht ganz voll, weil er am 1. November nicht mehr als solcher gilt. Der Novembervollmond erscheint am letzten Tag im Monat, so Gott will.
Wenn man von der Brücke Richtung Mitte blickt, sieht man bei klarem Wetter die hohen Gebäude des Potsdamer Platzes und weiter, den Weltballon, mal hoch oben, mal auf halber Strecke, bis hin zum Fernsehturm.

Ich hab die S-Bahn abgepasst für dieses Bild. Auf der Brücke halte ich fast jedes mal, um den Anblick und die Weitsicht zu genießen. Heute gab es kein tirilieren. Vielleicht sind alle Piepmätze zum Süden aufgebrochen. In diesen Tagen meldet sich öfter laut und herrisch die Nebelkrähe. Jünst meinte ich, einem Gespräch zweier ihrer Art zu lauschen. Es klang jedenfalls artikuliert. Die Elster fügt sich auch ins Vogelgeschrei. Aber heute morgen war alles gedämpft.
Lavendelriechen
Auf dem Rückweg halte ich auch oft an der Gartenoase, Langenscheidt, Ecke Crelle, die von den Anwohnern liebevoll gepflegt wird. Es gab heute einen Flaneur — aus unserem osmanischen Viertel, wie ich diese Ecke in Schöneberg gerne taufe –, einen Herrn mit schwungvollem grauen Schnurbart, der meinem Lavendelriechen nacheiferte und sorgfältig deutsch kommentierte: „Schön. Das ist eine gute Idee, die Natur berühren. Es riecht gut.“

So war der Morgengang zum Bäcker, neblig, still, mit ein paar Fußgängern, gedämpft. All ihr Heiligen Gottes, legt Fürbitte ab, daß wir gut durch diese Pandemie kommen!
Das Wort zum Sonntag
Diesen Ausruf der Fürbitte kann ich so nicht unkommentiert stehen lassen. Gott ist mir nicht ein solcher, der Lobbyisten verlangt, um sich umstimmen zu lassen. Allerdings denke ich, dass es uns Menschen gut tut, diesen Weg zu wählen, andere um Beistand zu bitten. Erstens ruft es uns den Ernst der Lage in Erinnerung. Zweitens wird klar, dass es für den Weg zur Besserung der Gemeinschaft bedarf. Und drittens gibt es für mich allerdings diese Zuversicht, dass es über alle irdischen Wesen und Kreaturen und Dingen darüberhinaus Wesen gibt, die über — nennen wir sie ruhig himmlische — Mächte verfügen und denen daran liegt, der Schöpfung mit Liebe zu dienen. Und das ist mein Wort zum Sonntag.
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