Auf dem Radar (3)

Bücher und anderes Wissenswertes – Lesereise nach Marokko

Wie sie mir bei diversen Lektüren über den Weg laufen, halte ich hier Buchempfehlungen und Informationen fest, die für einen Studenten der Islamwissenschaften — und für jeden in dem nur vage zu umreissenden Feld — von Interesse sein könnten.


gefunden in: NYRB, July 22, 2021

Das ist eine Bildungsreise für Leser und Literaturfreunde mit großem Geldbeutel.

Shifting Boundaries: Literature of Marocco

Wer aber vom Sessel oder Liegestuhl am literarischen Programm ganz kostenfrei teilnehmen will, kann dem Leseplan folgen:

READINGS

  • The myth of Hercules
  • Let It Come Down by Paul Bowles
  • The Simple Past by Driss Chraïbi
  • The Director and Other Stories from Morocco by Leila Abouzeid
  • Selections from „Tales of a Severed Head“ by Rachida Madani

Bild: Francisco de Zurbarán (1598 – 1664) Herkules ringt mit Antaeus (1634)

© Prado, Madrid


Der erste Titel, Der Mythos des Hercules, ist offenbar kein Buchtitel, sondern weist vielleicht auf Parallelen der griechischen Mythen mit denen der Amazigh hin [siehe „Berbermythologie — die drei Götter, die das antike Marokko prägten“ (englisch) bei Yabiladi]


Paul Bowles

Let it come down (1952)

Penguin (hier: alter, schöner Einband)


Verlagstext (frei übersetzt)

»So mag er fallen, was Macbeth entnommen ist, [Akt 3; Dritte Szene — BANQUO ’s kommt Regen noch zu Nacht. / ERSTER MÖRDER So mag er fallen! Ersticht Banquo], erzählt die Geschichte von Dyar, einem Bankangestellten aus New York. Er wirft seine sichere, eintönige Arbeit hin, um in Übersee eine Wirklichkeit zu finden, mit der er sich identifizieren kann. Der Roman erzählt von seinen makaberen Erlebnissen in der Hölle Tangiere, während er seinen dunkelsten Impulsen folgt. Bowles zweiter Roman ist reich an Beschreibungen von Korruption und Zerfall der internationalen Zone in den letzten Tagen vor der Unabhängigkeit Marokkos, und er wechselt zwischen Komik und Horror in seiner Darstellung eines Abstiegs in den Nihilismus.«

siehe auch: a) Hisham Aidi — So Why Did I Defend Paul Bowles? (NYR daily December 20, 2019)

b) Perlentaucher — Paul Bowles / sechs Bücher


Driss Chraïbi

The Simple Past

Übersetzer: Hugh A. Harter

[Le Passé simple (1954)]

NYRB Classics


Verlagstext (frei übersetzt)

»Die Simple Vergangenheit [oder: Die einfache Herkunft?] erschien 1954, und in Frankreich und zugleich in des Autoren Heimatland Marokko löste das Buch eine Explosion der Wut aus. Der Held, der wie sein Autor Driss heißt entstammt einer vermögenden Familie. Sein Vater hat sich zu einem Tee-Händler aufgearbeitet, ein überaus frommer Muslim der schnell gereizt jederzeit austeilt, verbal und physisch, stets darum bemüht, seine schüchterne Frau und vielen Kinder seinem eisernen und rechthaberischem Willen zu unterwerfen. Man nennt ihn einfach den Herrn, und Driss, der das Gymnasium besucht, ist mitten im Aufstand gegen ihn und auch gegen die französischen Kolonialherren, für die — so sehr, wie für seinen Vater — er ein Niemand ist. Driss Chraïbis klassischer Entwicklungsroman handelt von Kolonialismus, Islam, der Unterdrückung von Frauen und der Suche nach einer messerscharfen und strahlenden Stimme, die zugleich wahrhaft und frei ist, wie in seinem Roman.«

Deutsche Ausgaben von Driss Chraïbi im DNB [Katalog der Deutschen Nationalbibliothek]


Leila Abouzeid

The Director and Other Stories from Morocco

Übersetzt von der Autorin

University of Texas Press, 2006


Verlagstext (frei übersetzt)

» Neue Erzählungen von Leila Abouzeid [Abū-Zaid, Lailā], der bekannten marokkanischen Schriftstellerin, stellen ein Ereignis dar für Ost und West; denn wie in ihrem gefeierten Roman Das Jahr des Elefanten überschreitet die Autorin kulturelle und nationale Grenzen und bietet mit einer Prosa auf, die den Lesern im Westen und im Nahen Osten von Bedeutung ist. Die Geschichten in diesem Band handeln von traditionellen und modernen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, Eheleuten und zwischen Bürgern des neuerdings unabhängigen Marokko und ihren nationalistischen Repräsentanten in der Regierung.

Unabhängigkeit von der französischen Kolonialherrschaft brachte viel Wandel in Marokko hervor — mancher davon vorteilafter als anderer. Frauen sind zahlreich in die Arbeitswelt eingetreten, eine Entwicklung, die neue Freiheiten verheisst, die aber auch in den traditionellen Familien für Probleme sorgt. Abouzeid zeigt uns, wie diese Veränderungen einfache Männer und Frauen treffen, wie kleine alltägliche Vorfälle lange Schatten in das Leben der Einzelnen werfen. Ihrem klaren Stil, der zuweilen an einige Vertreter des Realismus im Westen erinnert, fügt sie Elemente arabischer Erzählweise hinzu, die mündliche Erzählung, beispielsweise.

Abouzeid schreibt zunächst auf Arabisch, ein Entschluß, der für sie politisch ist. Sie ist damit in Nordafrika, wo bislang Autoren ihre Werke auf Französisch verfassten, ein Pionier. Elizabeth Warnock Fernea setzt in ihrem Vorwort die Erzählungen in einen historischen Kontext. «

Deutsche Ausgaben von Leila Abouzeid im DNB


Rachida Madani

Tales of a Severed Head

Contes d’une tête tranchée (2005)

Übersetzer: Marilyn Hacker

Yale University Press, 2012


Verlagstext (frei übersetzt)

» Dieser Band bietet erstmals dem englischsprachigen Leser die Gedichte der Marokkanischen Dichterin Rachida Madani. In Geschichten vom abgetrennten Kopf spricht Madani heutige Themen zur Rolle der Frau in der Gesellschaft an — Themen, die durchaus jenen ähneln, die vor Tausend Jahren in der unsterblichen Sammlung Arabischer Erzählungen ergründet werden, die wir als Märchen aus Tausendundeiner Nacht kennen.

In den alten Erzählungen gelobt der krankhaft misstrauische König Shehriyar, jede Nacht eine neue Frau zu ehelichen und ihr am darauffolgenden Morgen den Kopf abzuschlagen, um sicher zu gehen, dass sie ihn nicht betrügt. Durch den Mut und die Gewitztheit der jungen Scheherazade, die sich als des Königs Braut anbietet und sich sodann eine Erzählung ausdenkt, die sich über Tausendundeine Nacht ausweitet, kann sie Shehriyar von seiner Obsession heilen; und die Jungfrauen seines Reiches sind gerettet. So wie ihre mutige Vorgängerin kämpft Madanis moderne Scheherazade um ihr Leben und auch um das Leben der mit ihr Leidenden. Aber in der heutigen Zeit kommt die Bedrohung genau so sehr von der Armut her, von staatliche Korruption, Menschenrechtsverstößen und den Folgen des Kolonialismus, wie von der Gewalt, die von einzelnen Männern ausgeübt wird. Madani spinnt eine Erzählung von gegenwärtigem Widerstand; und wieder einmal erweist sich die Sprache als machtvolle Waffe.

Die in Marokko geborene Rachida Madani hat mehrere Bände an Dichtung auf Französisch veröffentlicht, eine Sprache, die sie dreißig Jahre lang unterrichtete. Ihr Leben lang politisch militant, äußert sie ihren Widerstand „nicht, indem ich Parolen rufe und Banner schwenke. Ich kämpfe mit meinem Wort.“ Sie lebt in Tangiers. «

Rachida Madanis Werke warten noch auf Übersetzer ins Deutsche.


siehe auch Blogeintrag über den marokkanischen Autoren Ahmed Bouanani: Expeditionen in den Orient (weiter unten im Artikel).


siehe auch: Titus Burckhardt – Fes C. H. Beck
[Bild: Blogeintrag]

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