Auf Jakobswegen (24)

Erster Tag – Prolog. / Feldstudie: mit dem 9€-Ticket von Berlin bis Fulda

Etappe 4 – Von Fulda nach Bingen Ende Juli, Anfang August 2022 / Eine Bildergeschichte


Das Sommersemester ging zu Ende und, um mit Eichendorff zu singen: „Mich brennt´s an meinen Reiseschuh´n / Fort mit der Zeit zu schreiten …“ .

In den voraufgegangenen drei Etappen war ich Schritt für Schritt bis Fulda vorgedrungen.

Stadtwappen von Fulda (Wikipedia)

Bis dorthin sollte es zunächst auf den Schienen gehn. Als Freund geschichtlicher Ereignisse entschied ich mich für das Experiment, die gut dreistündige Bahnstrecke mit dem Nahverkehr zurückzulegen, zusammen mit all den glücklichen Reisegefährten, die sich in diesen drei denkwürdigen Sommermonaten am 9€-Fahrschein erfreuen.

Der Plan: 
Abfahrt Berlin Hbf: 06:11  
bis Magdeburg Hbf, dann weiter über Sangerhausen und Kassel-Wilhelmshöhe Ankunft Fulda: 13:37 

Alles klappte prima mit dem Nahverkehr.


Sandersleben ist nicht gleich Sangershausen


In Magdeburg setzte ich mich in den Zug Richtung Erfurt, der mich zum nächsten Umsteigebahnhof Sangershausen transportieren sollte. Das verwechselte ich mit Sandersleben, wo ich flugs mit Sack und Pack aus der Bahn hüpfte, um rechtzeitig am richtigen Gleis umzusteigen. Als mir klar wurde, dass ich in der tiefsten Provinz gelandet war, sah ich nur noch die Schlusslichter des Zuges. Bis zum nächsten Anschluss hatte ich Muße, festzustellen, dass es keinen Kaffee in der Gegend gab, aber immerhin ein paar fast reife Brombeeren.

In Sandersleben steht dieser ansehnliche alte Wasserturm.


Ansonsten bemühte ich mich um eine Unterkunft in Fulda, hatte aber bei etwa zehn Nachfragen kein Glück: entweder gab es keinen Platz mehr, die Wirtsleute machten Urlaub, oder man musste gleich zwei Nächte buchen. Auch war die Ankunftszeit ja alles andere als sicher, wie sich herausstellen sollte.


Sangershausen

Leinefelde – High Noon …

Der heisse Wind wabert über die Gleise.

Warten auf den Zug nach Kassel


Zwischen Kassel und Fulda kam es zu mehreren Hindernissen. Zuerst verzögerte sich die Weiterfahrt aufgrund einer Tragödie, im Zug oder auf den Geleisen irgendwo, mit Todesfolge. Dann gab es auch noch einen Brand anderswo auf der Strecke, und die Bahn orderte ein privates Busunternehmen, um uns weiter zu transportieren. Der Bus war in nullkommanichts da und im Nu überfüllt; verzweifelte Radler und andere Reisende liefen ratlos auf und ab. Aber da kam auch schon ein zweiter Bus, und sogar die Radfahrer fanden noch Platz. Das hat mich doch sehr beeindruckt, und ich kann die Bahn nur loben. Es muss dann Guxhagen gewesen sein, wo uns der Busfahrer in die Obhut der Bahngesellschaft des NVV (Nordhessischer Verkehrsverbund) entließ.


Körle. Endstation.

Ausschnitt Liniennetzplan NVV

Mit der vollbesetzten Cantusbahn kamen wir vor Melsungen unplanmäßig zum Stehen: in Körle. Nichts ging mehr. Die Durchsageanlage funktionierte nicht. Irgendwann sickerte durch, dass alles noch dauern könnte. Es hatte Streckeabwärts lokal heftige Böen gegeben, und eine Oberleitung war durch Baum oder Ast beschädigt worden. Der Schaffner kam ins Abteil und riet uns, etwas die Beine zu vertreten. Es gab weder Anhaltspunkte, wie und wann es weitergehen könnte, noch fühlte sich irgendeiner zuständig. Keiner organisierte Shuttlebusse. Es hieß, dass es vielleicht in zwanzig Minuten weiterginge, vielleicht aber erst in fünf Stunden, vielleicht aber noch später. Derweil testete der Zugführer das Bremssystem, und mehrmals krachten die Bremsbacken mit viel Getöse auf die Gleise und wurden zischend und fauchend wieder angezogen.

Körles Bahnhof ist, wie Sandershausen, in tiefster Provinz. Mit etlichen Leidgenossen entschied ich mich für den Bahnsteig gegenüber; und als der nächste Zug einfuhr, entflohen wir dem Limbus zurück in Richtung Kassel. Wo ich dann ausgestiegen war, um die Reise in Richtung Bad Hersfeld via Bus fortzusetzen, ist mir entfallen; aber irgendwann ging es weiter übers Land in Richtung Schwalmstadt.


Ein Lichtblick, unterwegs durchs Busfenster erspäht.


In einem Ort namens Treysa


Mit dem Bus weiter nach Bad Hersfeld

Dass Treysa der Bahnhof von Schwalmstadt ist, wurde mir nach zwei weiteren Haltestellen klar, die ich dann brav zurücklief. Von Treysa aus gibt es einen Bus, der bis Bad Hersfeld fährt.

Die Busfahrt war ein eigenes kleines Abenteuer. Lokalität: Eine Selbstbedienungs-Tankstelle auf Höhe der Bushaltestelle „Elastic“ (oder halluzinierte ich da schon?). Hier der Austausch darüber auf dem Familienkanal (übersetzt und leicht geändert):


Ich: Irgendetwas stimmt heute nicht ... Der Busfahrer spricht nur spanisch und weiß nicht, wie man den Zapfhahn bedient. Er schickt sich gerade an, weiterzufahren mit dem Sprit, den er noch hat ... Nun kommt jemand, der auch spanisch spricht und hilft, und sie haben ein winziges Bisschen Sprit nachgefüllt ... seltsam, seltsam ...

T: Wenn du ein Taxi rufen würdest, 'kein Gericht in der Welt würde dich deswegen verurteilen', wenn du mich fragst.

G: Lass uns das Spanisch als ein gutes Omen deuten, wenn wir das Ziel der Reise bedenken.

T: Daran gemessen passt Latein vielleicht besser? (Ubi locandum gasolinum in receptaculo?)

D: pro combustio motoris! (Ich glaube, ich habe ein J. K. Rowling Verständnis von Latein :o(

G: Das könnte ein Zauberspruch für Unheil sein.

Jedenfalls ging es nicht zurück nach Kassel, und ich kam irgendwann und irgendwie in Bad Hersfeld an.


Warten in Bad Hersfeld


Ich dachte, es gäbe einen Bus nach Fulda. Irrtum. Wieder gab es Zugausfälle. Kein Bus-Ersatzverkehr, keine verlässliche Information … jedenfalls erübrigte sich das Übernachtungs-Problem, und ich hatte beim Wachen Gesellschaft. Alle Fahrgäste, wo immer ich mit ihnen auch die Odyssee teilte, waren übrigens gutmütig und geduldig, mitunter erschöpft und gewöhnlich ratlos dem Schicksal ergeben. Um kurz nach Zehn fuhr dann der Zug ein, und eine halbe Stunde später erreichte ich – noch am selbigen Tage – Fulda.

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