Am Main und weiter, höchst verwirrt

Auf Jakobswegen (30)

Siebter Tag. Von Frankfurt a. M. bis Bad Weilbach

Etappe 4 – Von Fulda nach Bingen
Ende Juli, Anfang August 2022 / Eine Bildergeschichte


noch am sicheren Ufer in Hoechst

Frankfurt im Wandel


Die Strecke heute war zunächst ein abwechslungsreicher und sicherer Weg am Mainufer entlang. In Hoechst wurde es dann knubbelig.

Erst schritt ich frisch in den Morgen hinein, sagte dem gläsernern Bankenimperium Adieu und suchte mir den Weg zurück nach Osten zum Mainufer. „Da ich wieder Ost und West verwechselte, irrte ich eine ganze Weile zwischen Westend und Innenstadt umher …“. Am Ende habe ich von Frankfurt viel gesehen. ;-)


Morgen am Main


Getreu des Jakobsweges querte ich den Strom über die Brücke Eiserner Steg, deren Silhouette oben im Bild mit jener der Dreikönigskirche im Baugerüst zu sehen ist. Als ich zum anderen Ufer wechselte, war es schon um einiges heller.

Exkurs, aus der Übersetzerwerkstatt (aus dem Englischen frei übertragen):


M: hier eine kleine Griechischlektion vom Brückenscheitel
T: Google sagt: "Gieße lieber Wein auf andere Leute." Ich bin bei dieser Übersetzung etwas skeptisch! 
...
Ah, es ist offenbar ein Zitat von Homer: "Segelnd über das wein-dunkle Meer / hin zu Menschen fremder Sprache".

Es ist ein Zitat aus der Odyssee, Buch 1, Vers 183, oben von der Samuel Butler Übersetzung von 1900 übersetzt, die so geht: „while sailing over the wine-dark sea to men of strange speech,…“; hier nun im Original (zitiert von der Seite perseus.tufts.edu):

πλέων ἐπὶ οἴνοπα πόντον ἐπ᾽ ἀλλοθρόους ἀνθρώπους, ...

In der Penguin Classic Ausgabe von 1946 (unsere ist ein Nachdruck von 1967 und kostete damals 85 c.) übersetzt von E. V. Rieu in Prosa, gibt Athene in der Erscheinung des taphischen Generals Mentes dem Telemach Auskunft:

..., I came with my own ship and crew across the wine-dark sea. We are bound for the foreign port ...

Johann Heinrich Voß übertrug in Versübersetzung die Äußerung der „blauäugichten Athene“ 1781 folgendermaßen, (zitiert aus der dtv weltliteratur Dünndruck-Ausgabe von 1979 in der 2. Auflage von 1982):

Jetzo schifft ich hier an; denn ich steure mit meinen Genossen / Über das dunkle Meer zu unverständlichen Völkern, / ...

Diese Szene ist praktisch ein Vorspann zur eigentlichen Odyssee und ereignet sich an Odysseus Wohnstatt, die von den Freiern der einsamen Penelope belagert ist. Sein Sohn Telemach, „mit traurigem Herzen“, ahnt wohl die Anwesenheit göttlicher Macht, weil er sich nur flüsternd an den Gast wendet.

Genug Anregung zum Nachdenken über dieses Auftauchen der Athene in Verkleidung mitten auf einer Brücke über den Main.


Mainufer, Höhe Alt-Sachsenhausen, mit Jakobs-Wegzeichen


Einmal ans sichere Ufer gelangt war es ein Leichtes, ihm gen Westen zu folgen. In Niederrad bog ich nach Süden in die Stadt ab, um mein Frühstück einzunehmen, und folgte dann weiter am Ufer wieder dem Jakobsweg.


Vorbei an der Griesheimer Schleuse


Blick auf Schwanheim
über den Fluss – die Kirche St. Mauritius im Blick
auf dem nördlichen Ufer in Höhe Frankfurt West

Die Stadtmauer von Hoechst am Ufer des Main mit dem Schiff der Kirche St Severin


Eine Hoechster Odyssee

Treu folgte ich dem Muschelzeichen des heiligen Jakob in die Stadt hinauf und landete erst einmal vor dem Portal der Kirche von St. Severin, auf dem deutlich und klar das letzte Wegzeichen mit der Jakobsmuschel prangte, sosehr ich den Platz und die anliegenden Gassen auch absuchte. Ich konsultierte Kompass und elektronische Karte und versuchte, den Weg nach Westen ausfindig zu machen. Mal stieß ich auf ein einsames Wegzeichen, meistens war ich mir selbst überlassen. Die Beschilderung ließ insgesamt zu wünschen übrig, und an keiner Bushaltestelle fand ich einen Umgebungsplan. An der Jahrhunderthalle pausierte ich und sah das Jakobszeichen, war aber spätestens in Zeilsheim wieder verloren, wenn ich überhaupt dort hingelangte. Kriftel am Jakobsweg habe ich sicherlich niemals gesehen.

Seltsame Sorte Jakobspilger

Dem zukünftigen Jakobspilger, der gerne, von Berichten unberührt, selber sehen und entdecken möchte, kommt meine Schilderung sehr entgegen, weil die Hälfte der Beschreibungen Orte im Abseits trifft und etliche Wegeslängen eigentlichen Jakobwegs von mir unberührt geblieben sind. Wenn er allerdings meiner Veranlagung ist, wird er das ein oder andere im Abseits vielleicht wiedererkennen.

Am Ende des Akku

Meist den Radwegen folgend, die solide ausgeschildert waren, schlug ich mich über Landstraßen durch bis Hattersheim. Der Akku sackte mehr und mehr gegen Null, also Schluss mit Fotos und anderem Schnickschnack. Die letzten Prozent sparte ich für den Kompass. Das Ziel Bad Weilbach lag süd-westlich. Mitten in Hattersheim sah ich einen älteren Herrn, der gerade sein Auto in der Einfahrt eingeparkt hatte, und fragte ihn nach der direkten begehbaren Route. Er gab mir schöne klare Auskunft, der ich unverzüglich folgte und zu meiner Genugtuung sah, wie alles passte.

Der gute Samariter von Hattersheim

So kam ich, ziemlich geplättet aber hoffnungsvoll, gut voran, als plötzlich mein freundlicher Wegweiser mit seinem Auto neben mir hielt. Er hatte Mitleid, der gute Mann. Angesichts aller überflüssiger Meilen, die ich schon abgelegt hatte und ob der großzügigen Geste, die auszuschlagen eine Unverschämtheit gewesen wäre, stieg ich überaus dankbar ein. Er kutschierte mich, in Bad Weilbach ortsunkundig, die verbleibenden fünf bis sechs Kilometer bis zu einem Parkplatz, ungefähr dort, wo ich wohl hin wollte, schlug Spritgeld aus, ließ mich den Rucksack aus dem Heck nehmen und wünschte mir alles Gute – einen Wunsch, den ich glücklich erwiederte.

Und siehe da, der Parkplatz war an der Alleestraße, gleich am Eingang zu meinem etwas abgelegen Zielort im Grünen.



Zimmer mit Aussicht

So kam ich an im Flörsweiler Hof und erfreute mich an der Abgeschiedenheit und Ruhe nach einem Tag voller Irrungen und Wirrungen in den Städten. Hier hörte ich die Vögel zwitschern, und Baum und Strauch grüßten durchs Fenster.

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