Auf Jakobswegen (31)
Achter Tag. Von Bad Weilbach bis Mainz
Etappe 4 – Von Fulda nach Bingen
Ende Juli, Anfang August 2022 / Eine Bildergeschichte
Dies war ein schöner Auftakt direkt am Jakobsweg, und der führte zunächst zum Kurbrunnen, aus dem ich ein, zwei Schlucke trank.
Und schön ging es auch weiter auf der kurzen Strecke zwischen Bad Weilbach und Wicker. Ich kehrte mich um und winkte Frankfurt am Main, gerahmt von Reben, ein Adieu.

An der Flörsheimer Warte
Hier noch etwas für die Geschichtsfreunde. Der neue Turm ist nicht mehr ganz so interessant.

Die Botschafter vom Gelobten Land Kanaan
Ganz sicher bin ich mir nicht, ob diese Skulptur schon im Flörsheim Stadtteil Wicker stand oder ob ich sie erst später bei meinem unfreiwilligen Abstecher in Hochheim gesehen habe. Wir sind jedenfalls im Winzergebiet, wobei die Weinberge hier eher Weinschrägen sind.

In unserer Küche hängt diese Vorhängescheibe von meinem Vater. Sie zeigt das gleiche Motiv, über das bei 4 Mose 13; 23 zu lesen ist (zitiert aus der Lutherbibel zu Hause, Ausgabe von 1956 und 1964):
Und sie kamen bis an den Bach Eschkol und schnitten dort eine Rebe ab mit einer Weintraube und trugen sie zu zweien auf einer Stange, ...
Vor dem Hintergrund der Kritik an Kolonialismus und Geopolitik ist es durchaus lohnenswert, dort bei einmal in der Bibel weiterzulesen und darüber nachzudenken. Ich lasse es hier einmal bei der vollen Traube, die Israeliten und Kanaaniten sich bestimmt gut hätten teilen können von Erntezeit zu Erntezei. Amen.
Die Weinernte soll gut sein in diesem Jahr, heisst es, trotz des vergangenen dürren Sommers. Das wünsche ich den Winzern.
Der Winzer von Wicker
Einen Winzer traf ich, als ich durch Wicker lief. Er war alt und arbeite schon seit Jahren nicht mehr in seinem Beruf; und auch seine Kinder haben das Gut und die damit verbundene Mühe nicht weiterführen wollen und andere Berufe erwählt. Er trug es mit gutem Mut und, angeregt durch den Anblick eines Wanderers, sprach mir von seinen Reisen in besseren Zeiten, die ihn an Mosel, Saar und Ruwer gebracht hatten. Nachdenklich setzte er hinzu, dass er nie ins Gebiet der Nahe gereist sei. Die armen Leute. Ja, die Flut, das war schlimm.

Der Winzer / Heribert Reul [mein Vater] / Scherenschnitt, Papier, rußgeschwärzt, ca. 1947
Quelle: © 2022 Heribert Reul. Familie Heribert Reul sen. (Die verdienstvolle Arbeit des Archivierens macht sich allein Bruder B. mit seinen Unterstützern)
Der Winzer in Wicker reizte mich, es mit einem Limerick zu versuchen:
Da war mal ein Winzer in Wicker / der spielte mit Leidenschaft Knicker*. / War der Wein abgefüllt, / hat er Knicker gespielt, / dieser beste Knick’rer von Wicker.
(*Knicker sind Murmeln (manchmal aus glasiertem Ton) oder Glasperlen, auf niederrheinisch Platt. siehe Grimm WTB unter 4. / Rheinisches WTB unter 1 b.)


St. Peter und Paul, Hochheim
Nach besagtem Abstecher in Hochheim traf ich zu Füßen der prächtigen Kirche St. Peter und Paul am südlichen Stadtrand wieder auf den guten alten geduldigen Jakobsweg.
Die Brücke aus Stein über dem Main rief mir dieses Lied in Erinnerung:
Es führt über den Main Eine Brücke von Stein. Wer darüber will gehn, Muß im Tanze sich drehn. Fa la la la la, Fa la la la. Kommt ein Fuhrmann daher, Hat geladen gar schwer. Seiner Rösser sind drei, Und sie tanzen vorbei. Und ein Bursch ohne Schuh Und in Lumpen dazu, Als die Brücke er sah, Ei, wie tanzte er da.
Kommt ein Mädchen allein Auf die Brücke von Stein, Faßt ihr Röckchen geschwind, Und sie tanzt wie der Wind. Und der König in Person Steigt herab von seinem Thron, Kaum betritt er das Brett, Tanzt er gleich Menuett. Liebe Leute herbei! Schlagt die Brücke entzwei! Und sie schwangen das Beil, Und sie tanzten dabei.
Alle Leute im Land Kommen eilig gerannt: Bleibt der Brücke doch fern, Denn wir tanzen so gern! Es führt über den Main Eine Brücke von Stein. Wir fassen die Händ, Und wir tanzen ohn End. Fa la la la la, Fa la la la.
Text: Alter Frankfurter Totentanz aus dem Mittelalter, die letzten beiden Strophen [und die Melodie, 1952] von Felicitas Kukuck. Quelle: Volksliedersammlung
Am Mainhafen, kurz bevor der Main in den Rhein mündet, steht ein metallener Ausssichtsturm, der einen lohnenswerten Rundblick erlaubte.


Es gesellte sich beim Abstieg noch ein Radler im Aufstieg dazu, und so auf halber Höhe hielten wir ein Schwätzchen bei schöner Aussicht über dies und das – eher Richtung Tresengerede. Er mochte auch nicht Lindner und Söder (er hatte damit angefangen), und er machte die kluge Bemerkung, dass es vielleicht hilfreich wäre, bei der Flaschenproduktion sich auf wenige Grundformen zu beschränken. Es wurde Zeit, weiter zu gehen. Schon winkten die Türme von Mainz.

Da, wo der Jakobsweg den Hessenweg 7 trifft am Mainufer nahe der Flußmündung, da sind es noch 1.888 km bis Santiago de Compostella.
Auf dem Foto mit der Mainzkulisse, das zeitlich nach diesem Promenadenbild entstand, fließt schon der Rhein durchs Bild. Bald erreichte ich die Theodor-Heuss-Brücke, über die der Jakobsweg in die Stadt führt. Unmittelbar vor der Brücke im Stadtteil Kastel liegt die Reduit (eigentlich neutrum) der einstigen Festung Mainz und schmückt sich mit einem Dreimaster vor Anker.

Und schon war ich in Mainz. Erst einmal war ich hungrig und suchte mir ein griechisches Restaurant. Darauf hatte ich Appetit. Ich wurde auf höchst erfreuliche Weise fündig im Delphi Restaurant in der Altstadt, gönnte mir einen griechischen Salat mit gebratenen Putenstreifen nebst Apfelsaft und saß dort im grünen Hof unter Bäumen im Sonnenschein friedlich und glücklich mit anderen Gästen und erholte mich prächtig. Zum Schluß gab es noch einen Mokka und obendrein einen Ouzo aufs Haus. Dem Wirt und seinen Gästen zum Wohle!
Dann machte ich mich auf den Weg zu meiner Herberge, gleich am Hauptbahnhof. Auf dem Weg dorthin, auf der Großen Bleiche, fiel mir diese Baustelle ins Auge, mit einem riiiiiiesigen Sägeblatt.

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