Halsterhöhe und Gonzerath-Visite

Auf Jakobswegen (37)

Vierter Tag. Von Laufersweiler bis Hinzerath

Etappe 5 – Von Bingen nach Trier
August 2022 / Eine Bildergeschichte


Auf der Halsterhöhe (601 müM)

Heute gab es einige Zacken im geraden Römerweg, beispielsweise bei der (noch) stillgelegten Bahnstrecke bei Hochscheidt. Wieder ging es über Felder und durch Wälder. Hier und da begegnete ich Menschen, meist waren Bussarde, Reiher, Eichelhäher (die ich immerzu hörte, aber nie sah), Waldvögel und Rainfarn meine Begleiter. Mit der Halsterhöhe erklomm ich einen der kleinen Berge.


„Here comes the sun“


Laufersweiler verließ ich vor der Frühstückszeit und querte den Hirschbach auf dem Jakobsweg im Morgenrot.



Ausonius Exkurs


Nicht weit in den Wald hinein, bei Krummenau, stieß ich schon auf die erste Informationstafel, die daran erinnert, dass dies historischer Boden ist. Schon vor der Römerzeit war hier reger Betrieb. Ausonius, auf seiner Reise durch diese Gegend im 4. Jhdt., so heisst es auf der Schautafel unter Hinweis auf Vers 9 von Mosella, beklagt aber den Zerfall.


arvaque Sauromatum nuper metata colonis

Aus. Mos. 9


Des Dec. Magnus Ausonius Mosella.

Der Übersetzung und dem Kommentar von Dr. Eduard Böcking (1802 – 1870) folgend, (- der übrigens mit Lust kritisch die Bemühungen seiner Kollegen würdigt und bei Bedarf verreisst -), schau ich da mal genauer hin:

„Diese Welt, gebeutelt von Katastrophen, sieht Ausonius – und langsam begreift man seine harschen Worte.“

Vielleicht bezieht sich die Interpretation von der Informationstafel auf „nulla humani … vestigia cultus“ zu Beginn von Mosella

Nirgend umher auch Spuren von menschlichem Fleiße gewahrend.

Die Reise des Ausonius, die sich mit dem Jakobsweg deckt, beginnt mit der Überquerung der Nahe (Nava) bei Bingen (Vinco): Transieram celerem nebuloso flumine Navam / Addita miralus veteri nova moenia Vinco

Über den nebligen Strom der reißenden Nava gegangen, / Schaut‘ ich neue Befestung gefugt dem altenden Vincum

… und setzt sich fort über Kirchberg (Dumnisse) und weiter bis in die Umgebung von Hinzerath (Tabernae): Practereo arentem sitientibus undique terris / Dumnissum, riguasque perenni fonte Tabernas, / Arvaque Sauromatum nuper metala colonis

Durch Dumnissus, das dürre mit ringsum dürstender Landschaft, / Ging ich hindurch, und (sie netzt ein beständiger Quell) die Tabernä, / Auch die Gefilde, die jüngst sarmatischen Pflanzern man zumaß.

(Der batavische Krieg bei Bingen, 71 n. Chr. gegen die Treverer liegt da schon lange zurück.) Und dann setzt Ausonius, schon im Vers 10, seine Reise fort nach Neumagen und zum Moseltal, die Gegend, die er eigentlich besingt, während ja der Jakobsweg nach Süden ins Flussgeäder der Dhron abzweigt.



V. 5. 6. Von Bingen aus reiste Aus. (wie? davon spricht Keiner. [Marquard] Freher, und noch deutlicher [Johann Heinrich] Röhde (S. 35. der zu V. 8. ang. Abhdlg ) scheinen Fußreise vorauszusetzen; sollte aber der Erzieher des Kaisers nicht mit Benutzung der römischen Postanstalt, des cursus publicus, gereist sein?) durch die damals, und großentheils noch heute, waldbedeckte Gegend des heutigen Stromberg und Simmern, wo sich die römische Militairstraße (also war dies Gewälde doch nicht ganz bahnlos) hindurchzog. Vergl. [Johann Babtist Michael] Hetzrodt, Nachrichten über die alten Trierer. Trier. 1822. 8Vo. S. 122 ff. Auffallend ist, daß sowohl nach den Itinerarien, als nach dieser Stelle unserer Mosella, zwischen Bingen und der Gegend, wo itzt Kirchberg liegt, einer Strecke von vollen neun Stunden Wegs, keine Station war.

Über die Sauromaten schreibt Böcking:

Ich zweifle keinen Augenblick, daß unsere Stelle sich auf die Besiegung und Verpflanzung der Sarmaten bezieht, die sich im Jahr 334 (also gegen 35 Jahre vor Auson's Reise) unter Constantin ereignete, als diese Völker, aufgebracht über die für ihre Treue gegen die Römer und Tapferkeit gegen die Gothen vom Kaiser so reich belohnten Chersoniten, sich empört, und durch Einfälle in Pannonien und Mösien die römischen Provinzen beunruhigt hatten. 300,000 Sarmaten sollen hierauf in das römische Gebiet verpflanzt worden sein.

Noch etwas Geschichte, zu Grenzverläufen



Im Wald bei Niederweiler



Von Mühlen und von der Göttin Ceres


Ceres erfreut sich in der Gegend fortwährender Beliebtheit. Hier eine gußeiserne Ofenplatte aus der Gegend bei Trier (Takenplatte).

Flugzone

Nördlich auf Höhe von Laufersweile liegt der Flughafen Frankfurt-Hahn; und an diesem Tag stiegen von dort unentwegt Flugzeuge auf, immer wieder schwere Kargomaschinen. Mir erschienen viele der Flugzeuge graugrün, aber das kann an den kriegerischen Zeiten liegen. Laut der offiziellen Webseite Hahn-Airport wird der Flughafen nicht militärisch genutzt.


Ein Bussard (oben links im ersten Bild) teilt sich mit den Flugzeugen den Himmel über dem Jakobsweg.

Hier, hoch auf den Höhen des Hunsrück, wachsen wohl die Tannenbäumchen heran; denn irgendwann ist wieder Weihnachten. Ob die Gegend diesen Winter mit Schnee bedeckt sein wird?


am Wegrain

Behausungen



Diese Beispiele menschlich errichteter Mauern in Hochscheidt liegen vis-a-vis und zeigen, wie sehr Bauwerke ein Ausdruck von Zeitgeist und der Art von Zivilisation sind. Die Hühnchen kamen herüber zum Maschendrahtzaun, um Hallo zu sagen. Auch ohne sie fiel mir die Wahl nicht schwer für die lebendige Stein- und Ziegelmauer mit allem, was dort wuchs.



Von Heiligen Quellen und Gottheiten


Hier in Hochscheidt berührt der Jakobsweg den Sirona-Weg.


Auf der Webseite Hunsrück-Nahereise zitiert der Moselverlag noch eine informative Reise von Uwe Anäuser von 1987 zu lauter kleinen Orten der Gegend. Hier fühlten Nymphen und Nöcks sich bestimmt wohl. Hier suchten Menschen von jeher Gesundheit am Wasser und nahmen gerne die keltische Sirona als Heil-Göttin, die mal in Begleitung von Grannus erscheint, mal seine griechische Verkörperung, Apollo zur Seite hat und an andere ferne Götter für Heilung erinnert: Hygieia und Asklepius. Später wird mir noch die Madonna von Lourdes begegnen, auch eine Hüterin heilsamer Quelle.


Die zwei Kartenausschnitte zeigen, wie wasserreich die Gegend bei Hochscheidt ist


Ausschnitt: Kompass Karte

(Noch stillliegende) Bahntrasse nach Hinzerath

Rast auf der Halsterhöhe


Mageres Frühstück mit großartiger Ambiente


Bei Wederath



Inzwischen verspürte ich Hunger und verließ, bevor ich das Belginum erreichte, den Jakobsweg auf der Suche nach dem legendären Gonzerath, dem einzigen Ort weit und breit, der eine Bäckerei hat. Ein Radler aus der Gegend versicherte, Gonzerat hätte alles: Bäcker, Restaurant, Tankstelle, Supermarkt – „sogar einen Metzger“! Auf diesem Weg käme ich aber nicht hin, sondern müsse so oder ähnlich um den Berg herum, dahinter läge Gonzerath. Ich sah Wederath und Gonzerath auf der Karte und dachte, ich könne hübsch im Bogen vom Jakobsweg hoch über Wederath und herum nach Gonzerath und dann wieder, gesättigt, zurück auf den Jakobsweg, sozusagen im Karree.


bei Wederath

Das schmucke Kirchlein von Wederath

Frommer Winkel in Wederath
ein lichter Forst

Verdächtig am Ortsausgang zu Wederath war, dass unter den Ortsschildern der nach Gonzerath fehlte. Missmutig schlug ich trotzdem den Weg in den Wald ein. Herrliche Forstwege hoben gleich meine Stimmung, und ich folgte ihnen in die ungefähre Richtung. Irgendwann stieß ich natürlich auf die B50 (auf der Wanderkarte im Falz versteckt) und beschloß frustriert aufzugeben. Also stiefelte ich auf der Schulter in Richtung Belginum zurück, traf dann aber auf die schmucke hölzerne Tafel, die den Wanderweg nach Gonzerath anzeigt. Ich überquerte also die B50 bei Gelegenheit, und bald trat ich aus dem Wald und sah Gonzerath vor mir liegen.



Im Ortskern angekommen, natürlich nach wie vor hungrig, fragte ich eine Dame, die gerade auf die Straße trat, wo die Bäckerei sei. „Die hab ich gerade geschlossen“, meinte sie, aber dass sie die übrigen Brötchen eben bei der Metzgerei abgeliefert habe, die erst in einer halben Stunde schließen würde.

So kam ich wenigstens zu einem Leberkäs-Brötchen. Ich klagte bei der Metzgerin, wie dünn die Gegend mit Kaufmöglichkeiten ausgestattet sei und wie weit ich dafür gelaufen kam. „Wenn ich das weiß, dann pack ich mir rechtzeitig Proviant in den Rucksack“, meinte sie dazu. Das stimmt natürlich.

Auf gleichem Weg, wie ich gekommen war ging es dann auch wieder hinaus, aber ich wählte den Butzel-Kewes-Weg, der mich steil hinauf auf den Schackberg führte. Dort verzehrte ich mein Brötchen bei herrlicher Weitsicht.




von der Schautafel am Schackberg – hinter dem Hügel liegt Trier.


Der Weg zurück zum Jakobsweg am Hundheimerbach entlang und von dort nach Hinzerath war leicht zu finden. Man kann den Pfad über die Felder und zwischen den Apfelbaumreihen nehmen, um den Landstraßenbogen zum Ort hinein abzukürzen.



Voilá!

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