Marc Aurel, Montaigne, … Philosophie bei Kröner

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Kröner

Spitzweg unter den Denkern, in guter Gesellschaft

Marc Aurel und: das Leben ist ein Traum – oder ist es andersherum?

Nicht oft genug kann ich diese wunderbaren in blaues Tuch gebundenen Bändchen aus dem altehrwürdigen Kröner Verlag empfehlen, durch dessen Verlagshallen derzeit ein frischer Wind von Aufbruch und freudigen Stolz weht. Marc Aurel ist nun also in der Übersetzung von Wilhelm Capelle (1871 – 1961) wieder vorrätig, überarbeitet und neu eingeleitet von Althistoriker Jörg Fündling (*1970).

So schreibt Fündling 2008 im Vorwort zur Arbeit seines Kollegen:

In die Sprachgestalt des Originals, das sich nach wie vor durch große Zugänglichkeit auszeichnet, sollte so behutsam wie möglich eingegriffen werden, hat sie sich doch im Wesentlichen als äußerst alterungsbeständig gezeigt. Leider hat sich meine Absicht als unmöglich erwiesen, auch aus Capelles Einleitung größere Passagen zu übernehmen: Capelles bewegte, scharfe Urteile und seinen Pathos nicht scheuenden Stil mit verstellter Stimme zu ergänzen, hätte zu einem absurden Ergebnis geführt.

(- wozu er zwei Beispiele in der Fußnote liefert.)

Hier aus der überarbeiteten deutschen Ausgabe bei Kröner aufs Geratewohl
eine Kostprobe von Marc Aurel (Sechstes Buch, 31 / S. 81):

Ernüchtere dich und ruf dich selber zur Besinnung, und wenn du den Schlaf abgeschüttelt und dir klargemacht hast, daß es nur Träume waren, die dich quälten, dann blick, aufs neue wach geworden, auf die (irdischen) Dinge hier, wie du auf jene Träume blicktest.

Henri Quatre und Montaigne

Der Vater des Zweifels, Michel de Montaigne, ist bald vierhundert Jahre alt. Sein »Que sais-je« bezeichnet in Wahrheit die Höhe des europäischen Wissens.

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Montaigne Motto

wird Heinrich Mann im vorangestellten ‚Versuch über Montaigne‘ von Regine Brossmann 2013 für diese Ausgabe zitiert. Wer mit dem Henri Quatre Colloquium im Roman Heinrich Manns, Die Jugend des Königs Henri Quatre liest, wird inzwischen die fiktive Begegnung der beiden am Strand bei La Rochelle angetroffen, und auch dieses »Que sais-je« vorgefunden haben. Mich hat Heinrich Mann sehr gespannt darauf gemacht, diese peinliche Leselücke endlich einmal zu schließen, und wenn ich hier (in der Übersetzung von Paul Sakmann) über Die Muße und die Musen* anfange zu lesen, von Montaignes Rückzugsort, dem Château, dann verstärkt sich dieser Wunsch ungemein:

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Die Deckeninschriften in der Bibliothek des Château de Montaigne, im Périgord

Bin ich zu Hause, so kehre ich oft in meiner Bibliothek ein, von der aus ich auch einen Überblick über Haus und Hof habe. Stehe ich auf der Schwelle, so sehe ich unter mir meinen Garten, meinen Wirtschaftshof, meinen Hof und die meisten Gebäude meines Anwesens. Da blättere ich bald in diesem Buch, bald in jenem, ohne Plan und Methode, ohne allen Zusammenhang. Bald sinne ich nach, bald mache ich Auszüge und diktiere im Auf- und Abgehen meine Träumereien.

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Museum Georg Schäfer, Schweinfurt

Schlag nach, in Kröners Kleines Werklexikon der Philosophie

Marcus Aurelius befindet sich auf Seite 381, ff. und Montaigne folgt ab S. 401. Damit sind beider Werke erfasst, zusammen mit anderen, „die aktuell für das Philosophiestudium relevant sind.“ Der Band, mit seinen 330 alphabetisch aufgelisteten Einträgen, ist aber über alles professionell ausgerichtete Studieren hinaus „eine Fundgrube für den interessierten Laien.“, sagt der Klappentext. Und so ist es.

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Den Griechen

Zu Epiktet

… ein anderes Mal. Sein ‚Handbüchlein der Moral‘ steht nämlich im Fenster in der Griechenland-Solidaritätsgruppe, wo ich gerade nicht d’ran komme. (Für den interessierten Laien oder sonstigen Kunden geht es dann natürlich doch.) Dort treffen Sie auch ‚Die Vorsokratiker‘ an, und am Rande ‚Meilensteine der Weltliteratur‘, auch von Kröner.

* erinnert mich an Hodgkinsons Buch: How To Be Idle

2 Antworten auf „Marc Aurel, Montaigne, … Philosophie bei Kröner

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  1. Liebe Birgit;

    da merk‘ ich mal wieder, wie altmodisch ich selber bin; denn der Spitzweg ist mir liebenswert daher gekommen, ohngeacht aller Klischees. Als Buchhändler kennt man auch in unseren Tagen solcherlei Typen beiderlei Geschlechts und in allen Erwachsenenaltern. Sie krümmen keiner Fliege ein Flügelchen und stören mich deswegen in ihrem Anachronismus gar nicht, besonders nicht in unseren neo-martialischen Zeiten. Vielleicht wollte Kröner damit an die Bildungsbürger-Vergangenheit in Deutschland erinnern, wo es zum Menschseins gehörte, sich mit Gedanken anderer zu beschäftigen und den Horizont zu erweitern. (Daher auch die erhöhte Position, auf der Leiter wie auf dem Gipfel des Olymp, in goldenes Sonnenlicht getaucht.)

    Der frische Wind bezog sich eher auf den jüngsten Verbreitungseifer des Verlages, der sich via ‚facebook‘ – das habe ich mit ‚frischer Wind‘ gekoppelt – in Aufbruchslaune und freudigem Stolz an Leser und Händler wendet. Der Verlag bewirbt sich gerade auch darum, in den Olymp der kleinen, feinen unabhängigen Verlage aufgenommen zu werben, und ich finde, es ist hohe Zeit.

    Was die Nachttisch-Lektüre betrifft, greife ich ehrlich gesagt lieber zu Montaigne und seinem Esprit, statt zum moralisierenden, gestrengen und – Verzeihung! – miesepetrigen Marc Aurel. Aber was weiß ich?

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  2. Ich hab mit der Zeit auch einige der schönen Kröner-Bände angesammelt…und jetzt reizt mich diese Ausgabe der Selbstbetrachtungen. Man sollte es eigentlich auf den Nachttisch legen und morgens eine Sentenz lesen. Erschrocken bin ich erst über den Spitzweg – ich mag ja diese Bilder in ihrer Biederlichkeit auch – aber frischen Wind vermittelt er auf dem Titelblatt vielleicht nicht gerade? Egal – ich glaube, Kröner-Käufer-Leser schätzen das allemal.

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