
Bildquelle: Paul Landowski Seite
Heute ist der Geburtstag von Michel Eyquem de Montaigne (1533-1592) [lieferbare Bücher von und über Montaigne]
Hier, von mir frei übersetzt, ein Auszug aus der Seite von Petri Liukkonen:

aus Petri Liukkonens Authors’ Calendar für den deutschsprachigen Leser
»Montaignes erstes Buch gesammelter Essays wurde veröffentlicht, als er 47 Jahre alt war. Er fand, daß der Glaube unterschiedlicher Kulturen respektiert werden solle und deckte in seinen Texten ein großes Feld an Themen ab, darunter Weisen gut gepflegter Konversation, Schmerz ertragen, die rechte Vorbereitung auf den Tod, gutes Lesen, das Aufbringen von Kindern und der Umgang mit sexuellen Drängen. Selbst seine Katze entkam nicht seiner wachen Aufmerksamkeit:
Quand je joue avec mon chat, qui sait s’il ne s’amuse pas plus de moi que je le fais de lui ?
[Wenn ich mit meiner Katze spiele, wer weiß, ob sie sich nicht mit mir mehr amüsiert, als ich mich mit ihr?]« (Ausschnitt aus Authors‘ Calendar)

Bertrand Russell, in seiner `Philosophie des Abendlandes´, schreibt, wie die Zeit der Renaissance neues Wissen wie einen Wasserfall hinunterschießen ließ auf die zunächst überwältigten Denker.
„Montaigne und Shakespeare sind zufrieden mit dem Durcheinander; das Entdecken ist beglückend, und ein System ist sein Feind.“ (meine freie Übersetzung)
Michel Montaigne über das Recht
Pour exemple, je lui demanderai lors, quelle chose peut-être plus étrange, que de voir un peuple obligé à suivre des lois qu’il n’entendit jamais, attaché en tous ses affaires domestiques, mariages, donations, testaments, ventes et achats, à des règles qu’il ne peut savoir, n’étant écrites ni publiées en sa langue, et desquelles par nécessité il lui faille acheter l’interprétation et l’usage? Non selon l’ingénieuse opinion d’Isocrate, qui conseille à son Roi de rendre les trafics et négociations de ses sujets libres, franches et lucratives, et leurs débats et querelles onéreuses, les chargeant de pesants subsides ; mais selon une opinion monstrueuse, de mettre en trafic la raison même et donner aux lois cours de marchandise.
Chapitre XXIII / De la coutume et de ne changer aisément une loi reçue, p 64
Hier habe ich zwei Übersetzungen, und ich wundere mich, ob es tatsächlich jeweils dieselbe Stelle ist.

»Woher kommt es, daß unsere Muttersprache, die zu allem übrigen Gebrauch so leicht und klar ist, bei Kontrakten und Testamenten dunkel und unverständlich wird und daß derjenige; der sich am klarsten ausdrückt, er mag sagen und schreiben was er will, sich niemals hierin so verständlich machen kann, daß nicht Zweifel und Widersprüche darüber entstehen sollten, wenn es nicht daran liegt, daß die Fürsten dieser Kunst sich mit ganz besonderer Aufmerksamkeit darauf legen, feierliche Ausdrücke zu gebrauchen und künstliche Klauseln zu schmieden, zu diesem Behufe aber jede Silbe auf der Goldwaage wägen, jede Naht und Zusammenfügung so genau besichtigen, daß sie sich unter einer solchen Unendlichkeit von bildlichen Ausdrücken und herrschenden Distinktionen dergestalt verwirren und verwickeln, daß man eines Leitfadens, einer Vorschrift und einer gewissen Kunde bedarf, um sich herauszufinden: Confusum est, quidquid usque in pulverem sectum est.*«
Montaigne Von der Erfahrung (Essays; aus Kapitel 16; übersetzt von J. J. C. Bode – 1730-1793 – die frühere, vergriffene Ausgabe bei Reclam, zu finden im Gutenberg Projekt)
*Seneca, Ep., 89 »Was bis zu Staub zermalmt wird, ist schwer auseinanderzufinden.«

»Wie kann es Seltsameres geben, als dass ein Volk Gesetze befolgen muss, die es nicht verstehen kann, dass es in seinen häuslichen Angelegenheiten, ehelichen Verbindungen, Schenkungen, Testamenten, Kauf und Verkauf an Vorschriften gebunden ist, von denen er nichts wissen kann, da sie in seiner Sprache weder abgefasst noch bekannt gemacht worden sind, und die es sich darum um sein gutes Geld von anderen auslegen und anwenden lassen muss? Gibt es etwas barbarischeres als eine Nation, bei der es gesetzlich hergebracht ist, dass man die Richterstellen verkauft, und das die Urteilssprüche mit barem Geld bezahlt werden müssen, und wo es rechtens ist, dass demjenigen das Recht versagt wird, der nicht vermögend ist, es zu bezahlen?«
Montaigne Das Richteramt und seine Erfahrungen (Essays, übersetzt von Paul Sakmann, – 1864 – 1936 – bei Kröner)
siehe auch:
- Marc Aurel, Montaigne, … Philosophie bei Kröner (2015)
- Der Weg zum Thron – Das Henri Quatre Colloquium (2015)
- Anekdote von John Florio, dem ersten Montaigne Übersetzer ins Englische (2016)
- [Kommentar 19, Antwort auf Frage 5 bei „Sätze & Schätze“, Zehn Fragen zu Büchern, 2015]
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