Auf Hunsrücker Höhen

Auf Jakobswegen (34)

Erster Tag. Von Bingen bis Rheinböllen

Etappe 5 – Von Bingen nach Trier
August 2022 / Eine Bildergeschichte


Über Römerspuren auf dem Jakobsweg


Die Karte leistete treue Dienste. Der Wanderführer wäre sehr hilfreich gewesen; den habe ich aber erst hinterher gekauft. Die Muschel ließ ich wieder zu Hause. Sie ist mir zu zerbrechlich.


Eigentlich wollte ich die Kompass Wander-Tourenkarte direkt mit dem Verlag verknüpfen, aber der weist auf andere Kauforte, die ich nicht gerne teile. [Ich würde sie bei Schropp bestellen; und bei Dussmann ist sie gerade vorrätig.] Kompass hat aber immerhin eine Seite, um dem Wanderer Geschmack auf die Strecke zu machen. Bei Kompass wird geduzt: „Kennt ihr den Ausoniusweg?„.

Als ich mich mit Wanderführern für den Jakobsweg eindeckte, gab es den für den Ausoniusweg von Bingen nach Trier von Carola Oberbillig noch nicht. Er ist ganz frisch im Conrad Stein Verlag erschienen. Wer weiss, vielleicht wäre ich diesmal weniger oft abseits des Jakobsweges geraten. Aber wie immer gab es auf den Irrwegen vieles zu entdecken.

Hier ist das Tagespensum auf der Kompasskarte zu sehen. Das Foto stammt von der Rast, hoch auf den Hunsrücker Höhen.



Also: Auffi geht’s. Zunächst aber musste ich ja wieder von Berlin nach Bingen kommen, von wo ich letztes mal mit Heimweh nach Hause geeilt war. Mir war zu dem Zeitpunkt Anfang August mit Schrecken der tiefe Wasserstand des Rheins aufgefallen, und zurück zu Hause berichteten Tagesschau und Berliner Zeitung davon, wobei ausdrücklich Bingen genannt wurde. Auf dieser Tour waren die Spuren der anhaltenden Dürre auch noch deutlich sichtbar.

Und noch ein anderes zeitgenössisches Phänomen begleitete diese Etappe wieder: das legendäre 9 € Ticket:


Prolog

In der Nacht, kurz vor Eins, ging es los vom Berlin Hauptbahnhof, und in Halle dauerte es zwei Stunden bis zum nächsten Zug nach Kassel, was in Nachtzeiten zu erwarten ist und was ich gelassen akzeptiere.


Kakao mit Möppken („Kleingebäck“ auf Niederrheinisch)

Ich nützte die Zeit zu einem Frühstück mit heisser Schokolade. Es sitzt sich ganz nett oben in der Lounge.


Dann vertrat ich mir etwas die Beine im Gelände. Es war eine laue Nacht, und die Zeit wurde nicht zu lang. Die Zugfahrt ging weiter, aber mit etlichen Verzögerungen und im Bummeltempo, und ich machte mir Sorgen um den Anschlusszug in Kassel nach Frankfurt. Den Bahnhof in Kassel finde ich furchtbar mit seinen langen Rampen. Letztesmal hatte ich hintenrum Treppen entdeckt, die hinunter zu den Gleisen führten. Diesmal hastete ich, mit vielen Mitreisenden mit ihrem Gepäck, die lange Rampe herunter. Einige erreichten schon den Bahnsteig und strebten den Türen zu, aber der Zug fuhr uns vor der Nase weg. So ging es mit einer Stunde Verzögerung weiter nach Bingen.


Das Bahngelände in Bingen bei Bingerbrück


Die strapaziöse Bahnfahrt hatte meinen ohnehin verkanteten Ordnungssinn zusätzlich getrübt, und froh, endlich loslaufen zu können, stiefelte ich munter an den Bahngleisen entlang nach Westen, um dort die Nahemündung zu suchen. Spätestens nach einigen hunderten von Metern entlang der Landstraße, hinter dem Reiterstellwerk Bingerbrück, kam mir alles spanisch vor.

Transieram celerem nebuloso flumine Navam [Aus. Mos. praef. 1]

So beginnt Mosella, das dichterische Loblied des Ausonius (4. Jhdt. n. Chr.) auf die Gegend. Eduard Böcking (1802 – 1870), der auch die lesenswerte Anmerkungen dazu verfasst hat, übersetzt: „Über den nebligen Strom der reissenden Nava gegangen / …“

Vers 1-4 / Aus. beginnt seine Beschreibung mit dem Trevererlande, das sich ostwärts bis an die Nah erstreckte, und das, damals auf dem linken Ufer dieses Flusses gelegene, Bingen, welches mit einer Brücke mit dem rechten Ufer in Verbindung stand, in sich schloß.

(Ich liebe Böckings Anwendung der Kommaregeln bei zwei Relativsatz-Einschüben). Zur Drususbrücke bin ich nie gekommen. Ich hätte sie gerne gesehen. Gerade liegen zwei Semester Lateinunterricht hinter mir, und sie wäre ein schöner Auftakt zum römischen Aspekt des Jakobsweges gewesen. Je nun – oder soll ich sagen: Eheu! ? Eines Tages muss ich dann noch mal nach Bingen reisen und alles Versäumte nachholen.


verpasst: Drususbrücke über die Nahe

Foto: Torsten Sitz ; Stadt Bingen


Zwar lief ich brav zurück, aber nicht weit genug, und verstieg mich diesmal in der Gegend des Rupertsbergs, vermutlich auf den Weg zwischen der Landstraße 214 und dem bestimmt hübschen waldigen Jakobsweg südlich.


Vor Weiler




Hier war ich nun endlich auf dem Jakobsweg. Durch den Ort ging es hinaus und auf die Höhen.


Bei dieser Landstraße habe ich den Verdacht, dass es mal wieder ein Abzweig war …

Dies sah unterwegs irgendwie freundlich und friedlich aus.


Ob das vor dem Bergwerk Amalienhöhe war oder danach, weiss ich nicht mehr zu sagen. Die Anlage der alten Grube ist ein Privatanwesen und wirkte reichlich abweisend auf mich. Mir war die Wegmarkierung nicht immer eindeutig. Als ich die ersten Windräder um mich hatte wusste ich aber, dass ich mich auf gutem Weg in Richtung Forsthaus Lauschhütte befand.


Hier bin ich richtig!
„Eisabfall!“

Vorsicht Eisschlag!“ – Dieser Warnung war ich auf dem Jakobsweg vorher schon begegnet, aber selbst, wenn ich sie natürlich auf den Winter bezog, blieb sie mir rätselhaft. Inzwischen wurde mir klar, dass sie hier mit den Windrädern zu tun hatte. Faszinierend. Mir leuchtet aber ein, was bei Wikipedia dazu steht:

Bei den ca. 23.500 Windenergieanlagen in Deutschland[...] ist es bisher weder zu Personenschäden, noch zu nennenswerten Sachschäden gekommen. Das Risiko ist aus folgenden Gründen eher gering:
- Die notwendigen Wetterverhältnisse zur Bildung von dickeren Eisschichten treten sehr selten auf.
- Das Abwerfen der Eisschicht findet in einer sehr kurzen Zeitspanne bevorzugt nach einem Anlauf statt.
- Dickere Eisschichten können sich während des Rotorbetriebs nicht bilden.

Ein herzlicher Gruß an Christian Schank, der mir diese schöne Rast ermöglichte!

Hier nahm ich auch das Foto von der Tagesetappe auf. Den Füßen tat es wohl, hochgelagert zu werden.


Stromtrasse


Von der Lauschhütte, einem beliebten Ausflugsziel, wie ich bestätigen kann, sah ich zunächst den Kletterwald, in der zwei Männer, sich angelegentlich unterhaltend, damit beschäftigt waren, die Seile zu sichern. Auch sonst braucht mein keine besonderen Lauscher, um das Forsthaus zu orten: es drang muntere poppige Musik aus Lautsprechern, und man war eifrig am Grillen, wie die Nase verriet. Ich tauschte ein paar Nettigkeiten mit einem Rentnerpaar, das fröhlich unterwegs war und zog weiter durch den Wald. Die nächsten Windräder grüßten, und bald hatte ich den Ohligsberg erreicht, der immerhin 609 Meter über den Meersespiegel ragt. (Bei Bingen waren es so um die 100 Meter).


Blick vom Ohligsberg auf den Rheingau

Auf der Parkbank mit Tisch kostete ein junges Paar traut den Ausblick, und ich wollte ihre Idylle nicht lange stören. Sanft neigte sich der Weg gegen Dichtelbach, und zügig ging es Rheinböllen entgegen.


Heidekraut am Wegesrand


Bussardland

Far from the Madding Crowd

(An diesen Thomas Hardy Roman erinnerte mich das.)



Na denn: Gute Nacht! (Im Hotel Colosseum)

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